Die Arbeitsorganisation der eigenen vier Wände

– von Rudolf Reitter –

Morgens im Schlafanzug an den Schreibtisch, zwischendurch Waschen, das Mittagessen wird am heimischen Herd gebrutzelt. Arbeiten im Home Office hat auch seine Vorteile. Hinsichtlich Arbeitsorganisation, Arbeitsdisziplin und Life-Work-Balance wirft es jedoch Fragen auf.

Wir haben unseren Kollegen Rudolf, selbst langjähriger Home Office-Haudegen gefragt, wie er mit den Herausforderungen des Home Office umgeht. Lest wie er seinen Tag gestaltet ohne durchzudrehen. Uns haben seine Tipps jedenfalls geholfen.

Struktur und Konsequenz bei der Arbeitsorganisation

„Ich arbeite daheim und wohne im Büro“ – so die Worte einer befreundeten Betriebsratsvorsitzenden. Und das bringt es auf den Punkt. Die Trennung zwischen Beruf und anderen Bereichen des Lebens ist die große Herausforderung. Und die Lösungen lauten: „Struktur“ und „Konsequenz“. Denn: Klingt „Konsequenz“ nicht schöner als „Disziplin“? Nur: Welche Struktur passt zu mir? Eines vorweg: Es gibt keine Patentrezepte für ein erfolgreiches Arbeiten im Home Office. Wir müssen alle für uns selbst herausfinden, was am besten zu uns passt.

An gewohnten Ritualen festhalten und neue Rituale integrieren

Seit über 10 Jahren arbeite ich im Home Office. Nicht ausschließlich. Meine Seminare und Workshops finden in Hotels und Bildungseinrichtungen statt. Der Wechsel zwischen Home Office und Seminar ist für mich immer noch schwierig. Die Tagesabläufe sind einfach zu unterschiedlich. Dennoch gibt es viele Rituale, die ich beizubehalten versuche. So stehe ich meistens um 07:00 Uhr auf, praktiziere fast jeden Tag 20 Minuten Rückengymnastik und esse gegen 18:30 Uhr zu Abend. Seit zwei Jahren arbeitet meine Frau ebenfalls im Home Office, und wir haben neue gemeinsame Rituale entwickelt.

In unserer Partnerschaft achten wir sehr stark auf unser Suchtverhalten. Alkohol gibt es nur an zwei Tagen in der Woche. Da wir jeden Tag kochen, ernähren wir uns sehr gesund. Für den Online-Aufenthalt in sozialen Medien haben wir ein Zeitlimit eingestellt, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, wie lange wir rumdaddeln. Und wir achten sehr auf die Länge unseres Arbeitstages.

Wöchentliche Planung

Zweimal in der Woche gehen wir Einkaufen. Hier überlegen wir uns sehr genau, was wir wann essen möchten. Zu Mittags essen wir manchmal gemeinsam und manchmal alleine. Das hängt von unseren Terminen ab. Achtung: Das Mittagessen vorzubereiten braucht Zeit und dauert deutlich länger als der Gang in die Kantine.

Abends essen wir gemeinsam und lassen den Rest auf uns zukommen. Oft fange ich schon am Abend zuvor zu überlegen an, was wir morgen alles anstellen könnten. Aber gerade in Zeiten der Corona-Pandemie fällt es mir leichter, das Nicht-Planen durchzuhalten: Morgen früh ist vielleicht eh alles anders. Das ist eine gute Zen-Übung. Versucht es auch mal!

Bewährt hat sich der „Verrückte Partnertag“: Jede Woche legt eine Person fest, was wir Besonderes machen. Da stelle ich mir übrigens auch sehr schön mit Kindern vor: „Der verrückte Familientag.“ Wir haben schnell gelernt, uns nicht zu viel vorzunehmen.

Morgendlicher Kick Off und Tagesstruktur

Jeden Morgen besprechen meine Frau und ich beim ersten Kaffee, wie wir den heutigen Tag gestalten wollen. Wir versuchen jeden Tag eine Stunde gemeinsam Sport zu machen: Radfahren, Nordic Walking oder einfach mal gemeinsam Spazierengehen. Nach der morgendlichen Besprechung betreibe ich 20 Minuten Rückengymnastik. Denn: Erledige ich meine Rückengymnastik morgens nicht, mache ich sie gar nicht. Danach geht es ins Büro. Meistens sitze ich zwischen 08:00 und 08:30 Uhr an meinem Arbeitsplatz. Zuerst erledige ich organisatorische Dinge, die mir nicht so leicht von der Hand gehen. Meine Aufgaben schreibe ich mir in den Kalender. Und wenn ich etwas erledigt habe, lösche ich die Aufgabe. Meine Frau schreibt alles auf Zettel. Den Zettel zu zerreißen, ist ein schönes Ritual, und erledigt eine Aufgabe auch ganz real.

 

Im Büro achte ich intensiv auf die bereits fortgeschrittene Uhrzeit. Spätestens nach einer Stunde stehe ich auf und bewege mich. Alleine arbeiten ist einfach viel intensiver. Am Nachmittag lese ich in der Regel und mache mir Gedanken, wie ich das Gelesene in die Betriebsratsarbeit integrieren kann.

 

Schafft euch einen eigenen Arbeitsplatz

Meine Frau und ich haben jeweils eigene Arbeitszimmer. Das ist hilfreich. Abends können wir einfach die Türen schließen und am nächsten Tag weiterarbeiten. Das hat sich sehr bewährt. Daher mein Tipp: Schafft euch euren eigenen Arbeitsplatz und trennt diesen vom Rest der Wohnung ab – beispielsweise mit Pflanzen, Paravents oder Vorhängen. Es ist wichtig, vom Arbeitsplatz aus nicht auf sonstige „To Dos“ im Haushalt sehen zu können – sonst ist man schnell abgelenkt. Und umgekehrt gilt: Es ist nicht hilfreich, auf den Arbeitsplatz sehen zu können, wenn ihr im Freizeit-Modus seid. Eins geht gar nicht: Im Bett oder auf der Couch zu arbeiten. Neben gesundheitlichen Themen geht es auch um klare Abgrenzung zwischen Beruf und anderen Bereichen deines Lebens.

 

Kleider machen Leute

„Raus aus dem Bett und rüber an den Schreibtisch“. „Waschen und anziehen kann ich mich auch später“. „Heute mache ich mal Nackt-Akquise“: Das habe ich mir alles schnell abgewöhnt. Sich morgens bewusst Zeit zu nehmen ist wichtig! Die täglichen Rituale vor dem Home Office sollten denen vor dem Aufbruch ins Büro durchaus ähnlich sein. Sich mit passender Kleidung ins Home Office zu setzen, kann eine starke Wirkung entfalten. Nicht umsonst heißt es: „Kleider machen Leute.“ Und wer auch auf den Weg zur Arbeit nicht verzichten will, läuft einfach zweimal um den Block und setzt sich dann daheim an den Schreibtisch.

 

Tagesrückblick – Daily Close

Am Abend gehe ich gedanklich durch, was ich heute alles gemacht, geschafft und erledigt habe. Wenn etwas nicht gut funktioniert hat, überlege ich mir, woran es gelegen hat. Es hat durchaus einige Zeit in Anspruch genommen, bis ich rausgefunden habe, was gut zu mir passt. Das war ein wichtiger Prozess. Denn: Wenn der Ablauf gut zu uns passt, dann klappt es auch mit der Konsequenz. Wie du herausfinden kannst, welcher Tagesablauf gut zu dir passt? Stell dir einfach folgende Fragen:

  • Wie gestalte ich meinen Arbeitsplatz?

  • Ist-Analyse: Was mache ich eigentlich den ganzen lieben Tag lang? Was stört mich bei der Erledigung? Was lenkt mich ab? Welche Gefühle begleiten die einzelnen Tätigkeiten?

  • Welche Rituale kann ich ins Home Office integrieren?

  • Welche neuen Rituale brauche ich?

  • Start in den Tag – Daily Kickoff: Was machen ich heute? Was machen wir heute?

  • Tagesrückblick – Daily Close: Was habe ich geschafft? Was hat gut oder nicht gut funktioniert?

 

Bleibt die Frage: Wie geht es auch eigentlich im Home Office? Habt ihr Erfahrungsberichte oder Tipps und Tricks, die anderen weiterhelfen können? Dann kontaktiert uns bitte! Und zum Autor: Rudolf Reitter ist freiberuflicher Trainer und Berater. Sein zentrales Thema ist „Erfolgreiche Teamarbeit im Betriebsrat“. Dies ist auch der Titel seines Buches.

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